Vita

Das glückliche Kind

Ich wurde 1953 in Berlin geboren, als zweiter Sohn von dreien. Meine geliebten Eltern leben heute nicht mehr. Renate war Buchhändlerin, und Hans-Bernd lernte sie im "Bücherwurm" kennen, als er sich nach der Schlosserlehre zum Ingenieur fortbildete. Sein enormer Fleiß und Renate's rückhaltlose Unterstützung brachten unsere Familie aus der Enge der Nachkriegszeit ins tropische Cuba, wo er als resident engineer am neuen Elektrizitätswerk von La Habana arbeitete.

Alejandro, Andreas und ich. Heute leben wir im selben Dorf im Hunsrück.

Ich war vier Jahre alt, mein Bruder Andreas sechs, und alle waren wir schwer beeindruckt vom großzügigen amerikanischen Lebensstil.  Mein kleiner Bruder Alejandro Miguel wurde hier geboren, und kurz darauf starb mein Vater. Bald nach der cubanischen Revolution zogen wir zurück nach Berlin.

Schule und Lehre in Berlin

Meine Mutter Renate an ihrem Schreibtisch bei der AEG.

Mit einer vollkommen ungewöhnlichen Tatkraft und ihrer Liebe zu uns, der sie alles zum Opfer brachte, arbeitete meine Mutter ganztags und schmiß den Haushalt, unterstützt von meiner Oma Frieda. Allen dreien ermöglichte sie uns Abitur und Studium, ich aber trieb mich mit Trotzkisten herum und versuchte, mal eben Armut und Ungerechtigkeit aus der Welt zu schaffen.

In Berlin, Ende der 60er Jahre.

Mein Ingenieursstudium scheiterte aber kläglich, und ich begann eine Lehre in der Bildgießerei Noack, die mich faszinierte. Als Ziseleur lernte ich, Bronze- und Aluminiumgüsse etc. zu schweißen, die Oberflächen mit industriellen und handwerklichen Techniken zu bearbeiten, und die Skulpturen bis zur Patinierung fertig zu machen. Dinge mit meinen Händen zu bearbeiten macht mich noch heute glücklich. Erst in letzter Zeit habe ich abstrakte und mathematische Planung schätzen gelernt und versuche, mir einige Grundlagen anzueignen.

Wanderungen und Verwandlungen

Nach gelungenem Abschluß der Lehre arbeitete ich noch zwei Monate und kündigte dann Knall auf Fall. Ich mochte die Arbeit und die Kollegen sehr gern, aber fragte mich plötzlich: War das alles? Malochen bis zur Rente? Ist der Urwald schon längst abgeholzt, bis ich ihn zu sehen kriege? Ich machte mich auf in den Süden, und wanderte durch Italien und Griechenland, lötete Schmuck mit Glasperlen und arbeitete auf den Mandarinenplantagen Kretas. Als mir alle Sachen geklaut wurden, staunte ich, daß das Leben ohne Knete trotzdem weitergeht, daß der Hunger mich wach machte und die Welt sehr sehr bunt wurde. Ich lernte von den vagabundierenden italienischen Hippies das Betteln auf den Straßen und lebte mit ihnen von der Großzügigkeit dieses Volkes. Je ärmer die Leute waren, um so bereitwilliger und verständnisvoller halfen sie mir aus täglichen kleinen und großen Nöten. Mit diesem lustigen und aufbrausenden Völkchen verging die Zeit im Fluge und im Tippelschritt.
Aber ich merkte doch, daß es bis zum Urwald noch ein gutes Stück Anlauf brauchte, und so machte ich mich auf den Umweg nach Berlin.

Die Jahre in der Kommune

Achmed, meine Wenigkeit, Jürgen und Winnie beim ersten Start der Wärme-Kraft-Kopplung mit zwanzig Kilowatt elektrischer Leistung und etwa dem doppelten an Heizleistung. Eine Woche später installierte uns die BEWAG eine Rücklaufsperre in den Stromzähler.
Der große Steingut-Topf zwischen Jürgen und Winnie enthält die Abgaswäsche für den Lkw-Diesel, der den Generator antreibt. Der Durchlauferhitzer im Hintergrund diente als Anlaufwiderstand zum Startan des Aggregats.

Den Job in einem berliner Metallbetrieb und die kleine Wohnung schmiß ich gleich wieder hin, als meine Freunde von der "Fabrik für Kultur, Sport und Handwerk" in Tempelhof ein großes Industriege- lände "friedlich in Betrieb nahmen". Sie lebten seit vielen Jahren als große Kommune zusammen und ihre konkreten Ideen, wie man diese Welt verbessern kann, fand ich super.

Gemeinsam machten wir aus der Industriebrache ein kulturelles Zentrum für Kommunikation, mit Raum für eine freie Schule, für selbstorganisierte Kurse, mit Bäckerei, Bioladen, Café, Sporthalle, Kinderbauernhof, Veranstaltungssaal und Kino. Ein- bis zweimal in der Woche zelebrierten wir ein Plenum, um alle Entscheidungen gemeinsam zu treffen. Bei sechzig Kommunemitgliedern ein etwas sperriges Verfahren, besonders wenn es um grundsätzliche Fragen wie den Abwasch geht. Aber toll, wenn man gemeinsam überlegt, ob wir einen Varieté-Zirkus machen wollen, und ein Jahr später spielt der Kindercircus mit Artisten, Clowns, Lightshow und Zirkusband im eigenen Zelt. Wir hatten immer eine gute Presse, und viele Freunde haben uns mit Spenden und Krediten aus der ewigen Klemme geholfen und neue Projekte ermöglicht. Mit unserer Schlossergruppe habe ich die weitverzweigte Heizung repariert, eine damals neuartige Wärme-Kraft-Kopplung eingebaut und an unserem Zirkuszelt mitgearbeitet, das wir dann auf vielen Tourneen aufgestellt haben.

Auf dem UFA-Gelände traf ich auch den Scherenschneider Harun Wolf Trepte, der dort einen Ornamentik-Kurs leitete. Er öffnete mir den Weg in eine geheimnisvolle Welt, in der sich abgefahrene Phantasie und mathematische Tatsachen begegnen, und meinte: "Da ist noch viel zu holen". Stimmt.

In den zehn Jahren, die ich dabei war, haben wir Sachen hingekriegt von denen man als Einzelner nicht mal träumt - andererseits muß man sich von ein paar Dutzend Kommunarden in alles und jedes reinquatschen lassen. Beim lieben Gelde und dem Privateigentum nervte mich das nicht weiter, aber bei der Liebe und den Kindern wurde es mir zuviel: Ich verabschiedete mich, heiratete und verließ Berlin mit meiner Familie.

Mit der Familie in Spanien

Meine Frau Alia auf dem Rio Guadiana.

So kutschierten meine Frau Alia und die beiden Kinder Mona und Hamid mit mir in einem vollge- stopften kleinen Wohnmobil nach Marokko. Ich hatte mir den Namen Rashid, "der Rechtgeleitete" zugelegt, denn wir hatten in einer berliner Sufi- Tekke geheiratet. In Marokko konnten wir jedoch nicht Fuß fassen, und ich hielt uns in Andalusien eine gute Weile mit der Bettelgeige über Wasser.

Ein Achsbruch auf einem Feldweg gab die Wendung: Ich konnte Mona im nahegelegenen Dörfchen ganz unbürokratisch in der Schule anmelden, und auf der Suche nach Ersatzteilen traf ich Mario, der ganz in der Nähe eine große Finca mit Schrottplatz und Werkhalle besaß. Passende Teile hatte er zwar nicht, aber beim Schachspiel kamen wir uns näher, und er besorgte mir Arbeit. Über kurz oder lang wohnten wir mit ihm auf seinem abgelegenen Hof am Ufer des Rio Guadiana, den er allein nicht mehr halten konnte. Fünfzehn arbeitsreiche glückliche Jahre lebten wir teils vom Garten, teils von Tagelöhnerei und Schafschur, teils von selbständiger Arbeit als Mechaniker und Schweißer.

Tisch und Wände

In Mußestunden und vielen Nächten knobelte ich wie besessen an verwinkelten Ornamenten und verhakelten Sternchen. "Toto hat das Quadratenfieber" lachten die Kinder, wenn ich wieder über vollgekritzelten Zetteln brütete und nach dem schlichten Schnitt suchte, einem Rhythmus der sich verwirrend variierend läßt. Auf dem Höhepunkt meiner Sternchen-Krankheit ereilte mich der Mosaik-Virus. Ich mußte sichtbar machen, was zwischen meinen Ohren los war, und das ging mit Mosaik! Mit Flußschlamm klebte ich Kachelstückchen auf Tischplatten, goß Stahlbeton drauf oder baute Tonplatten drüber, schweißte Tischfüße zusammen und verkaufte bald die ersten Tische mit meinen Mustern.

Als die Kinder aus dem Haus waren, hatten Alia und ich keine Ahnung, was wir jetzt noch anfangen könnten und gingen auseinander. Zwei Jahre zog ich zu meiner Familie in den Hunsrück.

Heute im Hunsrück

Hier baute ich mir ein Mosaik-Atelier und eine Metallwerkstatt auf, um auf diesen Standbeinen durch diese schöne Gegend zu laufen. Mit meinem Bruder Andreas ergänze ich mich prima, er ist ein bekannter Grafiker und Bildhauer, und wir machen lauter Sachen zusammen.

Vor zwei Jahren hab ich mich endlich an den Computer getraut, ich konnte mich nicht länger drücken. Eine Webseite mußte her, all das. Ich hab nicht schlecht gestaunt, und staune stündlich weiter, was damit alles möglich ist und wieviel Zeit dabei vergeht.

Im vergangenen Jahr hat Andreas mit mir seine bisher größte Skulptur gebaut. Jahrelang hat er am Modell gefriemelt, und nach drei Wochen Krach in der Scheune springt dieses muntere Pferdchen raus, mit stolzen 400 Kilo. Die Nachbarn habens gelitten. Wir machen jetzt Ausflüge über Land, um einen Käufer zu finden und habens gleich hier bei Carmens Reitstall in Pflege gegeben.

Auf Ölsuche

Ende Oktober hat mich mein Freund David nach langer Pause wieder als Assistent für eine Reise angeheuert Er macht Video-Reportagen über Gewerkschafts-Themen und Menschenrechte, diesmal eine Dokumentation über die mexikanischen Ölplattformen. Zwei Monate haben wir in der südlichen Golfküste und in der Hauptstadt gefilmt, Leute interviewt, Tortillas gegessen und immer wieder gepackt, umgepackt und ausgepackt.



Über weitere Entwicklungen und Projekte will ich mein verehrtes Publikum an dieser Stelle, also am vorläufigen Ende meines Lebenslaufs auf dem laufenden halten.

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